Reise 2015 dt.

Reise nach Auschwitz 2015 Dokumentation


Es ist Sonntag, der erste Tag ganz alleine mit mir nach dieser Reise.

Ich habe es dieses Jahr nicht geschafft Tagebuch während der Zeit in Auschwitz zu schreiben.
Somit bin ich sehr gespannt was im Nachklang geschrieben sein will. Zuerst taucht da tiefe Dankbarkeit für uns fünf auf, dass wir unserem Ruf gefolgt sind, dass wir diese Reise mit einer größeren Gruppe machen wollen. Dass wir dieses „Experiment“ gewagt haben, ohne zu wissen auf was wir uns da insgesamt einlassen (auch bezüglich Orga und Leitung). Sicherheit, Geborgenheit, Freude, an einem Strang ziehen, dem inneren Ruf folgen, Sprüche klopfen, don´t take it personal, SEIN können, Raum geben und Liebe sind die Wörter, die grad kommen.
Tiefe Dankbarkeit für unsere ganze Gruppe mit all ihren Facetten und verschiedenen Hintergründen -­‐ Wagnis oder Chance? Füreinander da Sein. Ver-­‐Bindung geschehen lassen, Heilung geschehen lassen. I´m healed (Russell).

Was taucht in mir auf, ohne dass ich den Anspruch habe chronologisch durch die Tage zu gehen.

Marian Kolodziej hat mich sehr tief berührt mit seinen Zeichnungen! Es war eine sehr persönliche Erzählung, die mir auf eine ganz andere Art Einblick in das Lagerleben gegeben hat. Immer wieder habe ich vor ein Einzel gezeichnetes Augenpaar gestellt und Kontakt aufgenommen. Und jedes Mal spürte ich einen ganz starken Energiefluss in meine Augen rein. Eine ungeheure Kraft und Willensstärke floss da aus diesen Augen zu mir. Ich habe tiefen Respekt und Dankbarkeit in mir, dass Marian dieses Zeugnis abgelegt hat und mich so auf eine andere Art den Holocaust berühren, spüren lässt.
Haus 4 (oder 5): Zuerst die ganzen Koffer mit Namen drauf….was würde ich einpacken und mitnehmen von meinem ganzen Besitz, wenn ich nur einen kleinen Koffer hätte. Die mir liebsten und wichtigsten Dinge und die werden mir dann abgenommen, das letzte was ich noch habe wird mir einfach genommen. Dem Raum mit den Haaren, der mich letztes Jahr zutiefst schockiert hat und die Tränen hat fließen lassen, bin ich dieses Jahr total abgestumpft begegnet. Ich stand vor der Scheibe und musste die ganze Zeit meine Haare dabei anfassen, dabei wippte ich auf eine Art autistisch vor uns zurück, merkte wie „wichtig“ mir meine langen Haare sind und welch Schmach und Entwürdigung es ist diese einfach lieblos und rabiat abzuschneiden. …so schwindet nach und nach die Persönlichkeit und wird zur Nummer. Wie bewahrt Mensch sich dabei die Willenskraft zu überleben???
Im israelischen Haus las ich einen Text
„ clinging to life was the order of the day“
Immer wieder taucht in mir die Frage auf wie viel innere Willenskraft ich in solch einer
Situation wohl hätte. Ich weiß es nicht……
Im ungarischen Haus kann ich mir tatsächlich den Film von all diesen knochigen Leichenbergen anschauen, ich kann hinschauen, Ines hält währenddessen still meine Hand und die Tränen rollen nur so aus mir heraus, fließen und fließen die Wangen nur so runter. So wird das Schreckliche, Unbegreifbare ein klein wenig leichter, die stumme tiefe Trauer, das stumme Entsetzen was in den Tränen einfach aus mir herausfließen kann, Raum bekommt.
Und immer war in diesen Tagen ein anderer Mensch für mich da, hat meine Hand genommen, mich in den Arm genommen. Wir haben einander Halt gegeben, uns einander gesehen in Schmerz, Trauer, Frustration, Ohnmacht, Zittrigkeit, Stummheit. Wir haben uns gesehen, wenn Hass, Menschenverachtung, Zerstörungs-­‐ und Mordlust, Lust an der Macht, Lust an der Täterenergie sich durch uns gezeigt haben. Es gab keine Verurteilung, es wurde ganz einfach gesehen. Ich merke jetzt beim Schreiben wie ich auch davor Hochachtung habe, dass wir eine Gruppe von Menschen sind, die es zulassen können diesen Energien Raum zu geben und dass es als Gegenüber Menschen gibt, die damit sind, es sehen, es bezeugen mit Liebe im Herzen. Gibt mir das Gefühl, dass ich mich mit nichts Verstecken muss. Am ersten Tag durfte ich einen abgrundtiefen menschenverachtenden Hass! Hass! Hass! in mir spüren, der totale Freude am
Vernichten hat und dabei in mir sexuelle Lust entsteht…..oh was für eine Kopplung.
Meditieren am Krematorium. Ich bin so froh, dass an den beiden Krematorien, wo wir meditiert haben, Bäume stehen. Empfinde sie als stumme Zeitzeugen, wie als wenn sie auch mit den Menschen, die ins Gas gingen, waren. Stille, Frieden und Licht begleiteten mich an diesen beiden Orten wieder. Speziell, wenn ich mich dem Platz von Krematorium 3 nähere, fühle ich in mir ein tiefes Heimkommen, schon irgendwie strange und erklären kann ich das auch nicht. Ich kann nur fühlen, dass sich in meinem System etwas entspannt und wie innerlich tief aufatmet. Wegdriften und mich nicht ausrichten können gibt es allerdings an diesem Platz auch. Als Manfred im Zentrum an dem Abend zu uns gesprochen hat, hat mich hinterher noch am meisten beschäftigt, dass Niemand an diesen Platz kommt um der Täter zu gedenken. Am ehesten noch vielleicht mal noch es zuzulassen die Täterenergie stellvertretend zu fühlen, aber es gibt kein Gedenken an diese Menschen. Das hat mich immer wieder beschäftigt danach, es tauchte die Frage in mir auf: „ ist das erlaubt, darf ich, kann ich das tun auch einmal ganz simpel ohne Urteil dem Täter als Mensch zu gedenken? Am Freitagmorgen, als wir mit der ganzen Gruppe dort saßen und meditiert haben, habe ich dies gewagt zu versuchen. Ich nahm zur Unterstützung für mich ein paar Tropfen von meinem Öl Palo Santo auf meine Hände (Palo Santo ist das heilige Räucherholz der Inkas). Während ich dort so saß, sprang meine innere Aufmerksamkeit zwischen den Tätermenschen und den Frauen und Kindern, die in die Gaskammer mussten, hin und her. Beim Einfühlen in das Gedenken an die Täter fühlte ich Zwiespalt, leere Hüllen, Abspaltung, Himmler tauchte in einem inneren Bild vor mir auf – ohne Gefühle, das Gefühl „wir sind einfach auch Menschen“ ( das bewegte mich am meisten und eine Instanz in mir konnte das auch nur schwer zulassen, es schwankte so hin und her). Meine Aufmerksamkeit wurde währenddessen im inneren Bild immer wieder zu Frauen und Kindern in der Gaskammer gezogen. Plötzlich nahm ich meine Beckenschale als ein goldenes Gefäß wahr, indem zusammengekauert die Leichenberge dieser Frauen und Kinder lagen. Sie liegen und ruhen da in mir, es fühlt sich friedvoll in meinem Schoß an. Ich stelle ihnen diesen Raum total gerne zur Verfügung. Es erschreckt mich nicht, wir sind wie eins und in Frieden, eine Ruhestätte. Dieses innere Bild ist seitdem immer wieder mal mit mir und ich empfinde es nach wie vor nicht „komisch“ für mich, dass ich diese Leichenberge in mir trage und halte. Sie sind in mir und ich bin in ihnen…..strange und doch irgendwie
ganz normal……. schwer zu beschreiben. Im Toning danach zu erleben wie Agnes den Schritt macht, dass wir uns an den Händen halten und den Kreis schließen, Verbindung entstehen lassen, lässt mein System zutiefst aufschluchzen und aufatmen.

Ich habe in meinen Meditationen oder Readings
immer mal wieder Lichterfahrungen gemacht, aber nirgends sind sie so stark und hell wie in Auschwitz. Vielleicht hat das auch etwas mit meinem Gefühl des „ Nachhause Kommens“ zu tun….ich weiß es nicht, letztendlich ist es auch nicht wichtig.
Selbst im größten, wahnsinnigsten Schrecken und Verbrechen dieser Erde ist Gott auch noch da, gibt es Licht. Als Britta dies ausgesprochen hat im Abendsharing war die tiefe Gewissheit in mir, dass dies WAHR ist. So wie Pater Kolbe das wohl auch tief drinnen wusste und freiwillig den Tod gewählt hat. Ich wage es wieder auszusprechen: Auschwitz ist ein Ort des tiefsten Grauens der Menschheit und vielleicht auch ein Ort des größten Lichtes. Und dieser Ort konnte sein Vorhaben nicht zu Ende durchführen. Es gab ein Ende!!!
Für die Erfahrung der Liebe, der eigenen Herzöffnung, die mir auch in diesem Jahr in diesen Tagen in Auschwitz wieder begegnet ist, bin ich zutiefst dankbar. Die Liebe, die zwischen uns allen mehr und mehr für mich spürbar wurde, ganz speziell auch wieder die Liebe, die ich für uns als Team spüre, lässt mich weiter gehen, lässt mich zurückkehren an diesen Ort, lässt mich innerlich weit werden, lässt mich Zeitlosigkeit erfahren ( unglaublich wie schnell diese Zeit vergangen ist und es gab nie den Gedanken in mir, dass es doch nun endlich bald vorbei sei).

Und was ist jetzt am Ende meiner Zeilen in mir?

Auschwitz zeigt mir, dass mein Herz sich tiefer und tiefer öffnen kann (denn es gibt auch Zeiten, wo ich mit meinem harten verschlossenen Herzen hadere). Und wenn ich mich der Liebe öffne, dass dann Weite und Raum in mir entsteht, wovon mein Verstand normalerweise auch kein Vorstellungsvermögen hat.

Auschwitz zeigt mir, dass tiefes Bezeugen des Wahnsinns des Holocaust möglich ist und ich dies immer und immer wieder verspüre zu tun. Und dass es dazu den zwischenmenschlichen Kontakt braucht, alleine geht das nicht.

Mein Gebet und Wunsch zum Abschluss:
Möge unsere Bewegung hier weiter wachsen und dazu beitragen, dass Frieden und Menschlichkeit sich auf diesem Planeten ausbreitet, dass Begegnung Opfer und Täter geschehen kann.





Ich hatte schon Tage vor unserer Reise Angst davor, was mich in Auschwitz erwartet,

welche Gefühle mich durchlaufen werden und was der Ort und die dort stattgefundene Massenvernichtung in mir auslöst. Die Hilfe vieler Menschen, die uns von Zuhause aus unterstützten sowie unsere individuellen Gebete gaben mir Kraft und Zutrauen.

Die immense Grenzüberschreitung durch zutiefst würdelose Behandlung bis zum grausamen Tod sowie die Schutzlosigkeit so unglaublich vieler Menschen, aber vor allem der Kinder erzeugten zunächst Fassungslosigkeit und Erstarrung und später viel Wut und Traurigkeit in mir, was mir nur durch den Halt und den Kontakt der Gruppe möglich war, in Ansätzen zu fühlen. Während der Tage entstand immer wieder wie ein Wechselspiel zwischen kollektiven und eigenen inneren Themen. Sehr tief berührte mich meine letzte Meditation am Krematorium, in der ich erfahren durfte, dass das Göttliche immer da ist -­‐ auch bei all den Menschen, die in Auschwitz gestorben sind.

Ich hatte schon Tage vor unserer Reise Angst davor, was mich in Auschwitz erwartet, welche Gefühle mich durchlaufen werden und was der Ort und die dort stattgefundene Massenvernichtung in mir auslöst. Die Hilfe vieler Menschen, die uns von Zuhause aus mit gleichzeitigen Meditationen, Energie und gefühlter Verbundenheit unterstützten sowie unsere individuellen Gebete um göttlichen Beistand und Transformation gaben mir Kraft und Zutrauen.
Die immense Grenzüberschreitung durch zutiefst würdelose Behandlung bis zum Tod sowie die Schutzlosigkeit aller, aber vor allem der Kinder erzeugten zunächst Fassungslosigkeit und Erstarrung und später viel Wut und Traurigkeit in mir, was mir nur durch den Halt und den Kontakt der Gruppe möglich war, in Ansätzen zu fühlen. Und es entstand immer wieder wie ein Wechselspiel zwischen kollektiven und eigenen inneren Themen. Sehr tief berührte mich meine letzte Meditation am Krematorium, in der ich erfahren durfte, dass das Göttliche immer da ist -­‐ auch bei all den Menschen, die in Auschwitz gestorben sind.





Ich nehme Auschwitz als einen Ort wahr, der fortlaufend besucht sein will, der es braucht, dass Menschen dort hin fahren und bezeugen.
Meine Herausforderung war immer wieder aufs neue, mich auf das einzulassen, was auftaucht oder nicht auftaucht. Die Erwartungen und Vorstellungen als solche zu erkennen und dann zu sehen, was wirklich da ist. Alles da sein lassen und immer wieder den Mut zu finden, mit dem zu sein, was (nicht) ist. Was für mich aufgetaucht ist:

eine Ahnung dieser tiefsten Entmenschlichung, Entwürdigung,
ein Gefühl von Kälte
die Ruinen als Zeugnis, dass der Plan nicht aufgegangen ist
ein Gefühl von Frieden
viele Fragen
Was nicht aufgetaucht ist:
Tränen
Entsetzen
Wut
Den Austausch mit einzelnen oder in der Gruppe empfand ich wie einen Spiegel, in dem meine eigene Wahrnehmung erst klar hervortrat.





Ich stehe am Rande der Überreste von Gaskammer und Krematorium 3.

In mir die Bilder der wartenden Frauen und Kinder, aufgenommen von SS-­‐Leuten an der Rampe kurz vor der Vergasung.
In meiner Brust und Kehle ist es eng, gleichzeitig steigt etwas wie eine tiefere Ahnung von der Monstrosität dieses Ortes aus meinem Unterleib auf, drängt nach oben, will sich einen Weg bahnen durch die Enge. Da stehe ich mit meiner ganzen Begrenztheit und schaue auf die Stufen, die hinunter Menschen zu Tausenden in den Tod gegangen sind. Die Enge schmerzt, das Drängen von unten schmerzt, die Bilder schmerzen – ich spüre Tränen in meinen Augen – und bin doch nicht hierher gekommen, um eines persönlichen Schmerzes, um meinetwillen.

Neben mir steht Hedda – ich trete zu ihr heran, wir schauen uns an und sehen in den Augen der anderen das Geschehen im eigenen Innern gespiegelt. Wir nehmen uns in den Arm, -­‐ und indem wir uns halten und so gleichzeitig gehalten werden – können wir gemeinsam weinen.
Eine tiefe Trauer steigt aus meinem Innern auf und breitet sich in mir aus, ich bin jetzt offen und weich, fühle, etwas strömt durch mich hindurch, ich lasse einfach geschehen, ohne verstehen zu wollen.
Immer wieder in den nächsten Tagen erlebe ich, wie wichtig der Kontakt in und mit der Gruppe ist.
Verliere ich ihn, kontrahiere ich schnell in ein sehr persönliches Schmerzerleben. Bleibe ich mit dem Feld verbunden, geschehen Öffnung und Dissoziation in an-­‐ und absteigenden Wellen, wie Ebbe und Flut.
Das wiederholte gemeinsame Meditieren auf dem Lagergelände, und vor allem an Gaskammer und Krematorium 3 lässt ein starkes, für uns alle spürbares Feld entstehen. Während ich dort stehe, spüre ich, wie mein Körper, wie jede Zelle sich weitet und öffnet. Wenn ich einfach geschehen lasse, ohne etwas dazu zu tun oder etwas weg zu nehmen, geschieht Weinen. Diese Weinen ist unvertraut, fließt durch mich hindurch, es ist wenig persönlich.
Wenn ich mich sinken lasse, entsteht in der Tiefe eine Ahnung, eine Ahnung von einer TRAUER, von einem riesigen RAUM, unermesslich und unendlich. Es ist wie, am Rande dieses Raumes zu stehen und ein Streichholz zu entzünden. Für diesen kleinen Moment erleuchtet die Flamme ein wenig den Raum um mich herum und ich sehe ganz schemenhaft die nähere Umgebung. Und gleichzeitig spüre ich die unendlichen Ausmaße, bekomme eine Ahnung von dem, was ich niemals erfassen kann. Dann erlischt die Flamme. Mehr Nicht! Und das ist es, anzuerkennen: Mehr Nicht!





Langsam gehe ich durch Block 4 und 5 im Stammlager, jetzt werde ich zur Zeugin, lese nicht nur darüber.

Berge von Haaren, Brillen, und noch viel mehr. Den Anblick der Kinderschuhe halte ich nicht aus. Schnell verlasse ich den Raum. Tränen mindern die Spannungin mir. Es tut mir gut, immer wieder auf Menschen aus unserer Gruppe zu treffen, ein Händedruck, ein Blick, eine Umarmung geben mir Halt.

In Auschwitz Birkenau hatten wir uns auf der Rampe aufgestellt. Männer und Frauen getrennt, vorne die, die direkt in die Gaskammer geschickt wurden, wertlos, gedemütigt, misshandelt, zu nichts mehr zu gebrauchen.
Ich stand in dieser vorderen Reihe, spürte nichts von dem kalten Wind, sondern fühlte eine große Kraft in mir, die mich während der 30minütigen Meditation würdevoll aufrecht stehen ließ, wissend, dass mich dieser Weg in den Tod führte, den ich nicht fürchtete. Es erfüllte mich mit Schmerz, dass ich nichts mehr für meine Kinder und Enkel tun konnte.

Wir meditieren mit der ganzen Gruppe in dem Wäldchen direkt neben der Gaskammer und dem Krematorium. Hier wurde die Asche von unzähligen Menschen verstreut. Vor meinem inneren Auge sehe ich wie ein nicht endender Menschenstrom in die Gaskammer hinein fließt. Einem Mantra gleich wiederhole ich still in meinem Inneren „Ich sehe dich“ und aus dem Menschenstrom werden einzelne Gesichter sichtbar .
Am nächsten Tag am gleichen Ort nehme ich eine tiefe Stille, einen weiten Raum und Frieden in mir wahr. Darf das sein? Frieden an diesem Ort des grauenhaften Massenmordes?
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